Jahresrückblick 2019
Wenn das Jahr zu Ende geht, der Platz langsam aber sicher wieder zum Matschplatz wird, ab halb fünf die Kerzen im Gruppenraum angezündet werden, dann packt mich manchmal der Jahresendzeitblues.
Wenn ich dann den Kalender durchforste, um einen Jahresrückblick zu verfassen, verfliegt der Blues ganz schnell. Da kommen die vielen schönen Erinnerungen hoch an Erlebnisse mit den Kindern, den Tieren, an Feste und Schulprogramme, an die Gesellen und unser Klostervolk und der besten Mannschaft an Ehrenamtlern, die sich ein Platz wie unser wünschen kann.
Bei all den beschriebenen Ereignissen ist zu bedenken, dass unsere Stammbesucher, Kinder, Jugendliche, Anwohner, Senioren, Menschen mit und ohne Behinderungen, mit und ohne Fluchterfahrungen, an allem teilhaben. Wir arbeiten niederschwellig und offen. Gelebte Inklusion.
Seit letztem Jahr beginnen wir die Vorsaison, von Januar bis April, mit sogenannten Aktionstagen. Da werden Zäune ausgebessert, Scheune und Häuser aufgeräumt, Hecken geschnitten und Zelte repariert... einfach unsere gesamte Infrastruktur auf Vordermann gebracht.
Das ist bei der Größe unseres Geländes ein nicht unerheblicher Aufwand. Viele Menschen genießen übers Jahr den Geschichtserlebnisraum als Ort der „Entschleunigung“. Das ist wunderbar und von uns so gewollt. Aber auch mit viel Arbeit verbunden.
Ab dem Frühjahr kamen immer mehr Schulklassen und Kindergärten zu Besuch. Am schönsten ist es, wenn uns ganze Schulen für einen Projekttag zum Thema Mittelalter besuchen. Dann werden unsere historischen Häuser von Mitarbeitern und Klostervolk belebt. Es gibt viele Mitmachstationen - vom Tretrad bis zur Nähstube - die Pferde werden rausgeholt und es gibt viele glückliche Gesichter bei den Kindern und bei uns!
Über die Saison, von April bis Oktober, hatten wir aber auch noch Übernachtungsgäste von Kindergärten, Nähwochenenden von unseren Ehrenamtlern, Zeltaufbau für das Superkunstfestival der Vorwerker Diakonie, Angebote für Demenzerkrankte, Teilnahme am internationalen Tag der Museen im Hansemuseum, Feierlichkeit zum 20jährigen Bestehen unserer Einrichtung mit Veröffentlichung unserer Chronik, Theateraufführung unserer Stammkinder, jeden Monat ein Anwohnercafe “Café Hahn“ (im April mit dem beliebten Heringsbraten), ein Sommerfest mit vielen historischen Gruppen, dem Hansevolk und den Freunden von der ERLE (Bauspielplatz aus Oldesloe). Außerdem vier wundervolle Kulturwochenenden. Ohne großartige Werbung sind sie ein Geheimtipp für Familien mit Kindern aus der Region und historisch Interessierten Menschen mit Hang zu leckerem Kuchen geworden.
Viermal die Woche hatten wir während der Schulzeit die Offene Ganztagesschule der Grundschule Roter Hahn auf dem Gelände. Von den Oster- bis zu den Herbstferien an zwei Tagen die gesamte OGS mit über 100 Kindern - im Winter an einem Tag - die restlichen Tage mit Kleingruppen).
Und ein ganz besonderes Highlight war die Kinderhansestadt unter Federführung des Lübecker Jugendringes. Fünf Tage lang fand ein Stadtspiel mit 150 Kindern und 50 Erwachsenen bei uns statt.
Waren wurden produziert, ein Aufwiegler gejagt, Markt abgehalten, lecker gegessen, Barrikaden errichtet, Gefangene befreit, zusammengearbeitet, für Lohnerhöhung gekämpft, gelacht und viel gelernt!
Neben diesem „Regelbetrieb“ haben wir aber auch noch eine Klosterbaustelle. Die haben wir uns ja auch lange genug gewünscht! Aber wie das mit Baustellen nun mal so ist, war auch unsere mit Höhen und Tiefen verbunden. Von den Tiefen möchte ich jetzt aber gar nicht mehr reden.
Wir haben es 2019 geschafft das Refektorium samt Küche und Sanitäranbau zu richten, Richtfest zu feiern, ein „fast“ vollständiges Dach eingedeckt zu bekommen und viele Maurerarbeiten erledigt zu haben. „Gar nicht mal so schlecht …“ wie ein Kollege zu sagen pflegt.
Dies haben wir der Handwerkerinnung mit den Zimmererlehrlingen, der Landesberufsschule mit den Dachdeckerlehrlingen, wunderbaren Anleitern, Grobi (den Erschaffer des Klosterplans), unserem Maurer und vielen, vielen Gesellen zu verdanken. Roland, unserem Rolandsbruder und vor allem jeder Menge "Elefanten", die ihre Sommerbaustelle bei uns abhielten! (Elefanten, wegen der grauen Ehrbarkeit/Krawatte). Zwei Wochen Mitarbeit für Kost und Logis.
Wenn es in jeder Ecke des Geschichtserlebnisraumes lärmt, überall gearbeitet wird, die Kinder und Hühner dazwischen laufen, gemeinsam gegessen und gelacht wird, die Schafe blöken und die Glocke über den Platz schallt, dann zeigt sich unsere Einrichtung von ihrer schönsten Seite. Beeindruckend für uns Mitarbeiter, für die Kinder und die Besucher jeden Alters. Zum Abschluss der Sommerbaustelle gab es eine legendäre Party. Danke nochmal an alle Nachbarn für ihre Toleranz, was die Lautstärke anging.
Das größte Geschenk aber war, dass ein Teil der Gesellen auch nach der Sommerbaustelle bereit war, unser Projekt weiterhin zu unterstützen... mit uns aufs restliche Fachwerk zu warten und zu helfen es aufzubauen. Das war keine Selbstverständlichkeit und nach Aussage der Elefanten schon seit vielen Jahren nicht mehr vorgekommen. Was für ein tolles Kompliment an unser Projekt und unser Team!
Neben den Arbeiten am Kloster und dem Richten des Fachwerks von Küche, WC, Dormitorium und Dachstuhl, sind aber auch noch viele zusätzliche Werkstücke entstanden.
Eine große Eingangstür aus Eichenholz mit schmiedeeisernen Beschlägen in Anlehnung an eine Tür von ca. 1147 aus dem Zisterzienserkloster Maulbronn, am Rande des Odenwaldes gelegen. Eine Holzskulptur (Linde) in Anlehnung an die Madonna aus Viklau/Gotland um 1170/1180. Ein Schrein für die Madonna nach Vorbild des Schreins von Dädesjö/Schweden (spätes 12.Jht.) Ein romanischer Schrank von beeindruckenden Ausmaßen und 650 kg Gewicht - die „Mutter aller Schränke“, nach Vorbild eines romanischen Schrankes aus der Kirche von Obazine, Frankreich um 1300.
Ein mittelalterliches Frauenkleid wie es wohlhabende Frauen im 12. Jahrhundert getragen haben nach Abbildungen aus dem Codex Manesse (um 1300). Zusätzliche Türen für Küche, Keller, Dormitorium und WC. Bronzene Gürtelschnallen, Ziernieten und Gewandspangen - alles nach historischen Vorbildern gefertigt.
Dies alles zu organisieren, zu koordinieren, zu planen, zu beaufsichtigen, sich um die Finanzierung zu kümmern usw. ist inzwischen ein unglaublicher administrativer Aufwand, den ich mir vor 20 Jahren nicht hätte ausmalen können. Wenn ich es gewusst hätte würde ich hier vielleicht gar nicht sitzen.
Wenn ich jetzt zum Abschluss aus dem Bürofenster über den Platz schaue, das Jahr Revue passieren lasse und von „nach der Saison“ spreche, sehe ich weniger Menschen als im Sommer. Aber ich sehe auch wie es weitergeht. Der Reitplatz wird gerade von unserem Tierwirtschaftsmeister, den Freiwilligen, Ehemaligen, Menschen mit Behinderung und Kindern neu eingezäunt. Nebenan laufen Theaterproben fürs Krippenspiel, die Holzwerkstatt und die Container werden nach den Bauwochen des Sommers entmüllt, aufgeräumt und neu strukturiert. Unser Blockhaus bekommt von unserem Slawen Windaugen vor die Eulenlöcher.
Es ist ruhiger, aber immer lebendig. Es geht immer weiter und beim Mittagsteam wurden schon die Aktionstage (s.o.) für 2020 angesprochen. Euch Allen, die Ihr uns unterstützt, fördert, helft oder einfach nur zu uns kommt:
Danke. Und bis gleich…
Im Namen des gesamten Teams
Frank Thomas